Fröndenberg. (rs) Eigentlich liegt der Anfang ihrer akademischen Karriere noch in weiter Ferne. Schön frühzeiig bekamen 80 Kinder und deren Eltern gestern einen Einblick ins Pauken an einer Hochschule. Mit „Die Jugend im Nationalsozialismus“ stand bei der Kinder-Uni in der Aula der Gesamtschule alledings kein leichtes Thema auf dem Lehrplan.“Es freut mich, dass wir heute zu einer Dependance der Universität Münster geworden sind“, scherzte Schulleiter Klaus de Vries zu Beginn der Vorlesung, zu der Kinder im Alter von acht bis zwölf Jahren aus dem ganzen Kreis eingeladen waren.
Professor Dr. Hans-Ulrich Thamer (64), Experte für „neuere und neueste Geschichte“ an der Wilhelms-Universität-Münster, hatte für seine jungen Zuhörer akademischen Stoff zum Nationalsozialismus kindgerecht aufgearbeitet. „Ich muss das ganze natürlich langsamer und einfacher erklären und mich hüten, Fremdwörter zu benutzen“, sagte der Professor schmunzelnd. „Gerade Wissenschaftler neigen ja dazu, im Fachjargon zu sprechen, ohne es zu merken.“
Den schwierigen Stoff – die Jugend im Nationalsozialismus – konnte er seinen Mini-Studenten verständlich übermitteln. Bei der Frage, was die Kinder bereits über Adolf Hitler wüssten, zeigte sich Thamen von ihrem Vorwissen beeindruckt. „Der wollte Deutschland größer machen und hat den Zweiten Weltkrieg ausgelöst“, sagte ein junger Zuhörer. Ein anderer wusste bereits, dass sechs bis acht Millionen Menschen dem Massenmord Hitlers zum Opfer gefallen sind.
Anhand von Fotos und Wahlkampfplakaten skizzierte der Dozent dann anschaulich, wie Kinder und Jugendliche im Jahr 1938 das NS-Regime erlebten und was ihnen in der Schule und von der Gesellschaft vermittelt wurde.
Hilfreich dabei waren die Aufsätze von Schulkindern aus dem Jahr 1946, die Thamers junge Assistentin Estra Cetin vorlaß. „Ein Nürnberger Schulrat hatte nach dem Krieg diese Aufsätze angeordnet“, erklärte der Professor. „Die Kinder sollten schreiben, wie sie den Bombenkrieg und die Propaganda erlebt haben und ob ihre Väter im Krieg gestorben sind.“ Allerdings seien damals nicht alle Aufsätze fertig geworden – die Eltern hätten sie als Schnüffelei empfunden und sich gegen den Schulrat aufgelehnt.
[WR 15.09.07]