»Die Möglichkeiten, die wir haben – die begeistern!«
Der Unterricht ist zum ersten Mal in den vergangenen Monaten so richtig digital geworden: Beim Home Schooling, also dem cornonabedingt über das Internet erteilten Unterricht zuhause, saßen sie alle vor ihren Tablets oder Laptops. Schüler wie Lehrer.
Erklär-Videos drehen Schüler mit ihrem iPad
Mathematik auf diese Weise zu unterrichten, das sei problemlos möglich, erzählt die Gesamtschullehrerin. Schließlich haben alle mittlerweile auch schon im Präsenzunterricht, also im Klassenraum, mit den digitalen Geräten Erfahrungen gesammelt.
Ein großer Fan ist Annegret Baumann von Erklär-Videos, die ihre Schüler mit einem iPad selbst drehen. In dem Film erläutern die Kinder zum Beispiel, wie man Brüche erweitert oder Mengen umwandelt.
Verständnislücken besser aufdecken
Dann wird mit dem Apple-Pencil oder mit dem Finger auf einem Whiteboard, also einem empfindlichen Bildschirm, und mit digitalem Lineal oder Geodreieck gezeichnet und gerechnet und notiert.
Ihre Ergebnisse präsentieren ihre Mathe-Schüler dann ebenfalls mit Hilfe des Videos auf dem Tablet. Da fielen plötzlich Hemmschwellen. „Sie präsentieren stolz ihr Ergebnis“, schildert sie.
Früher habe man die Kinder an die Tafel geholt, einen Rechenweg notieren lassen, um dann häufig festzustellen, dass irgendwo ein Fehler steckt – alles wieder weggewischt werden muss. „Das ist jetzt ein Gewinn echter Lernzeit.“ Und man könne Verständnislücken jetzt viel besser aufdecken.
Das Lernen mit Video-Tutorials – man könnte das mit dem Telekolleg der 1980er-Jahre vergleichen – mache ihren Schülern unheimlich viel Spaß. Sie erklären sich mit ihren eigenen Filmen sogar untereinander mathematische Probleme.
Kollegen erklären digitale Tafeln mit Videos
Die wiederum beherrscht Annegret Baumann aus dem Eff-eff. Doch auch sie lernt mittlerweile wieder – ebenfalls anhand von Erklär-Videos. In diesem Fall sind es Filme, die Kollegen gedreht haben und die sich die Mathe-Lehrer dann in ihren Micro-Fortbildungen anschauen.
Micro-Fortbildungen nennen sie das, weil stets kleine Fachgruppen aus dem Lehrerkollegium zusammen kommen und quasi erweitert-autodidaktisch den Umgang mit digitalen Geräten oder Computer-Lehrprogrammen lernen.
»Alle müssen mitgenommen und fit gemacht werden.«
Das kann zum Beispiel die Funktionsweise einer digitalen Tafel sein, die in der Gesamtschule Fröndenberg längst kratzige grüne Wand und Kreide abgelöst hat. „Alle müssen mitgenommen und fit gemacht werden“, sagt Annegret Baumann. Zwar erhält die GSF vom Schulministerium auch ein kleines Budget für externe Fortbildung, „aber die Kollegen haben jetzt eine Frage“, sagt sie – man könne nicht auf Seminare warten, greifee daher eben zur schnellen Selbsthilfe.
Digitale Begeisterung ist keine Frage des Alters
Annegret Baumann muss unüberhörbar schmunzeln, als die Generationenfrage gestellt wird: Tun sich „ältere“ Kollegen denn vielleicht schwerer als „jüngere“, wenn es um diese modernen Lehr- und Lerninstrumente geht?
„Sie haben mich noch gar nicht nach meinem Alter gefragt“, entgegnet Baumann schlagfertig. 60 Jahre ist sie – und damit ist die Frage beantwortet. Zwar sei das Kollegium an der Gesamtschule im Schnitt ohnehin sehr jung.
Aber auch die „Älteren“ seien sehr offen für die Digitalisierung. Aber gibt es überhaupt alt oder jung bei diesem Thema? Für Annegret Baumann nicht: „Die Möglichkeiten, die wir haben – die begeistern!“
(Hellweger Anzeiger, vom 30.10.20)