Workshops an der GSF: Wenn Nervensägen im Kampfmodus sind, braucht das Großhirn Zeit

Eigentlich gibt es für Schulen viel größere Probleme, als einen Schüler, der einfach nicht hören möchte. Klang im vergangenen Jahr doch an, dass auch an der Gesamtschule Drogen im Umlauf sind, sogenanntes „Sexting“ ein Thema ist. Doch auf Dauer kann eine kleine Nervensäge Lehrkräfte ebenso zermürben. Und das ständige Stören im Unterricht schmälert den Lernerfolg der Klassenkameraden.

An einem Fortbildungstag hat sich das Kollegium der Gesamtschule Fröndenberg aus diesem Grund nun intensiv mit den Herausforderungen auseinandergesetzt, die der Schulalltag mit problematischen Kindern und Jugendlichen mit sich bringt. Aus Sicht der didaktischen Leiterin Brigitte Walther kommen solche Problematiken im Studium viel zu kurz.

Als einen von mehreren Referenten konnten die Schule Rudi Rhode gewinnen. Von Haus aus Sozialwissenschaftler beschäftigt sich der gebürtige Münsteraner in Büchern, Seminaren und Vorträgen mit der Frage, wie man bei schwierigen Konflikten mit Kindern und Jugendlichen ein sicheres Auftreten an den Tag legt.

An der Gesamtschule in Fröndenberg geht es im Vergleich zu Schulen in den Brennpunkten größerer Städte ruhig zu. Aber Probleme mit Drogen hat es auch im beschaulichen Fröndenberg schon gegeben. Und schwierige Kinder gibt es überall. © Marcel Drawe

Unterhaltsamer schauspielerischer Vortrag von Rudi Rhode

Wie es aussehen kann, „wenn Nervensägen an unseren Nerven sägen“, zeigte Rudi Rhode in einem unterhaltsamen schauspielerischen Vortrag, in dem er sich mit dem fiktiven kleinen Rudi, einem nervigen Schüler auseinandersetze.

Zum Teil neurowissenschaftliche Erkenntnisse, von denen Rhode auch in der Gesamtschule berichtete, helfen nicht nur Lehrerinnen und Lehrer, sondern auch anderen Pädagogen – und vor allem Eltern im Umgang mit Kindern und Jugendlichen. Eigentlich sogar Menschen im Umgang mit Menschen. Denn Trotzverhalten, so Brigitte Walther, kenne ja jeder auch von sich selbst.

Eine Beispielsituation: Der kleine Rudi hat wieder im Unterricht mit dem Handy gespielt. Nun drohen Konsequenzen. Entweder er gibt sein Smartphone ab oder er wird anderweitig „bestraft“. Beides schlecht. Rudi müsste nun eigentlich das geringere Übel wählen. Doch er ist nicht nur gedanklich, sondern auch körperlich mit seinem Lehrer im Kampf. Das Großhirn setzt aus, bräuchte Zeit, nur das Stammhirn ist im Einsatz. Reflektiertes Denken ist so nicht möglich. Es erfolgt eine Trotzreaktion à la „von dir lasse ich mir gar nichts sagen“ oder einfach nur „nö“.

Die richtige Strategie: Dem Großhirn Zeit geben. Das „Auszeitmodell“. Damit der Schüler nicht weiter den Unterricht stört, sollte er draußen nachdenken. Um ihm den Ausstieg aus der Unterrichtssituation zu erleichtern, vielleicht in Begleitung eines Freundes. Entscheidet sich der Schüler dann, das Handy zu behalten, „braucht es anschließend auch die nötige Konsequenz“, so Rhode.

Respektvoll und wertschätzend – aber konsequent

Wenn Nervensägen an unseren Nerven sägen, dann heiße es im Fazit also standhaft und konsequent, aber auch respektvoll und wertschätzend für die Beachtung der Regeln einzutreten.

Wichtig sei es, im Umgang mit den Kindern und Jugendlichen die richtige Ebene zu finden. Irgendwo zwischen zu viel Empathie und zu viel Strenge. „Wir haben auch den Nervensägen gegenüber eine Gewährleistungspflicht“, brachte es der Referent auf den Punkt.

Schüler ist sich nicht sicher, ob Rhode Recht hat

Während die anderen Schülerinnen und Schüler Studientag hatten, war der 13-jährige Jonas zuständig für den Ton in der Aula – sprich einer der Wenigen, die freiwillig beim Fortbildungstag ihrer Lehrer halfen. „Informativ“, sagt er kurz und knapp zum Programm von Rudi Rhode. Vor die Tür und Auszeit nehmen? An solche Methoden erinnert er sich noch aus dem Kindergarten. Ob es hilft, kann der Schüler auf die Schnelle nicht so genau sagen. Vielleicht hätte er noch ein wenig Auszeit zum Nachdenken gebraucht…

Im Anschluss an den Vortrag teilten sich die Lehrerinnen und Lehrer auf vier Workshops auf. Einige vertieften den Vortrag mit Rudi Rhode, andere trainierten Deeskalationstechniken. Auch professionelle Präsenz wurde geübt und rechtliche Fragen konnten geklärt werden. Genauso wie die Frage, was „schwierige Kinder“ überhaupt sind.

(Hellweger Anzeiger, vom 04.02.20)

Vorheriger Beitrag
Am Auschwitz-Gedenktag wird die Gesamtschule Fröndenberg „Schule ohne Rassismus“
Nächster Beitrag
Findet Schule auch bei extremen Witterungsverhältnissen statt?
Es wurden keine Ergebnisse gefunden, die deinen Suchkriterien entsprechen.