Schüler der Gesamtschule Fröndenberg helfen der Tafel

Es ist ein kalter Morgen in Fröndenberg. Draußen liegt noch ein Hauch von Nebel über den Straßen, drinnen in den Räumen der Tafel herrscht schon geschäftiges Treiben. Türen werden geöffnet, ein leises Klappern von Gemüsekisten ist zu hören. Dazu Stimmen, Lachen, kurze Absprachen. Mitten in dieser Betriebsamkeit stehen Jugendliche – Schülerinnen und Schüler der Gesamtschule Fröndenberg. Manche tragen noch die Winterjacke, andere haben sich schon Handschuhe übergezogen. Ferien? Für viele von ihnen heute kein Thema.

Was hier Woche für Woche passiert, ist mehr als ein Schulprojekt. Es ist ein Ort der Begegnung, der Verantwortung – und der Menschlichkeit.

Die Jugendlichen sind Teil eines Angebots der Talentwerkstatt an der Gesamtschule Fröndenberg. Eigentlich geht es dabei um Berufsorientierung, um erste praktische Erfahrungen, um das Kennenlernen von Abläufen, wie sie auch im Einzelhandel vorkommen. Lebensmittel abholen, sortieren, putzen, vorbereiten, Regeln einhalten. Handschuhe tragen, Anweisungen annehmen, Verantwortung übernehmen. Eine Vorstufe zum Praktikum – so beschreibt es Lehrerin Kathrin Hünninghaus.

Doch schnell wird klar: Die Tafel ist für viele Schülerinnen und Schüler weit mehr als eine Übungsstation für das spätere Berufsleben

„Viele kommen wirklich gerne“, sagt Hünninghaus. „Weil sie hier soziale Kontakte haben – auch zu älteren Generationen.“ Die meisten Ehrenamtlichen bei der Tafel sind Rentnerinnen und Rentner – Menschen mit Lebenserfahrung, Geduld und offenen Herzen. Sie freuen sich über die Unterstützung, über kräftige Hände beim Ausladen der Kisten – und über den frischen Wind, den die Jugendlichen mitbringen.

Zwischen Jung und Alt entsteht etwas, das man nicht planen kann. Gespräche über Schule und Ausbildung, über Hobbys, über Handballspiele oder den letzten Urlaub. Manchmal auch über ganz Alltägliches. Und manchmal einfach nur ein gemeinsames Schweigen beim Arbeiten, das trotzdem Nähe schafft.

Jung und Alt profitieren

„Das hilft auf beiden Seiten“, sagt Hünninghaus. „So wie früher, als mehrere Generationen selbstverständlich zusammengelebt haben.“ Heute ist das selten geworden. Umso wichtiger sind Orte wie dieser, an denen Begegnung wieder möglich ist.

Für einige Jugendliche ist die Tafel sogar ein Schlüssel zum Ankommen. Wer neu in Fröndenberg ist, wer einen Migrationshintergrund hat, findet hier schnell Anschluss. Sprache ist dabei nicht immer die größte Hürde. Da wird notfalls auf Russisch gesprochen, mit Händen und Füßen erklärt oder einfach gemeinsam gelacht. Die Tafel ist multikulturell – und offen.

Ein Beispiel ist Ivan. Er kennt die Abläufe, weiß genau, welche Tour gefahren wird, wo die Ware bei welchem Supermarkt abgeholt wird. Als ein Fahrer neu dazukommt, ist es der Schüler, der erklärt, zeigt, hilft. Ein Rollenwechsel, der Selbstvertrauen schenkt – und Anerkennung.

Anerkennung ist überhaupt ein Schlüsselwort in diesem Projekt. Die Jugendlichen bekommen Rückmeldungen, Lob, Wertschätzung. Sie merken: Mein Einsatz zählt. Ich werde gebraucht. Das motiviert – und bleibt.

Manchmal bleibt es sogar über die Schulzeit hinaus. Ulrich Ligges aus dem Vorstand der Tafel erzählt von Christina. Sie war Schülerin an der Gesamtschule, half regelmäßig mit – und kam auch dann noch, als sie längst keinen schulischen Auftrag mehr hatte. Zwischen Schulabschluss und Ausbildungsbeginn war sie fast täglich bei der Tafel. Einfach, weil sie wollte. „Da habe ich drei Monate gebraucht, um an sie ranzukommen“, sagt Ligges schmunzelnd. „Aber sie hat uns etwas gegeben – und wir ihr auch.“

Genau darin liegt die besondere Qualität dieses Projekts. Es ist kein einseitiges Helfen. Es ist ein Miteinander. „Die geben uns was, und wir geben denen was“, sagt Ligges. „Das ist super.“

Besonders sichtbar wird das auch beim gemeinsamen Kochen. Einmal im Monat bereiten Schülerinnen und Schüler Suppe für die Tafel zu. Kürbis, Kartoffeln, Linsen – einfache Gerichte, die wärmen und satt machen. Gekocht wird in großer Runde, mit vielen Händen, mit Spenden von Landwirten, Supermärkten und Unterstützern aus der Region. Wenn am Ende 40 Portionen Suppe bereitstehen, ist das mehr als nur ein warmes Essen. Es ist ein Zeichen von Gemeinschaft.

Die Rückmeldungen aus der Stadt sind durchweg positiv. „Wenn man über die Tafel spricht, öffnen sich nicht nur die Ohren, sondern auch die Herzen“, sagt ein Ehrenamtlicher. Vielleicht ist das der Grund, warum dieses Projekt so trägt – seit mittlerweile drei Jahren.

Hilfe auch vor Weihnachten

Und dann sind da noch die Ferien. Zeiten, in denen man erwarten könnte, dass Jugendliche ausschlafen, verreisen, abschalten. Doch einige kommen trotzdem. „Manche kommen sogar in den Ferien und möchten arbeiten“, sagt Ligges. „Da sagen wir nicht nein.“

Gerade in der Vorweihnachtszeit, wenn der Bedarf groß ist und viele Menschen auf Unterstützung angewiesen sind, ist diese Hilfe ein Geschenk. Kein verpacktes, kein glänzendes – aber eines mit Gewicht.

Diese Weihnachtsgeschichte erzählt nicht von großen Gesten, sondern von vielen kleinen. Von Kisten, die gemeinsam getragen werden. Von Gesprächen zwischen Generationen. Von Jugendlichen, die Verantwortung übernehmen – und dabei selbst wachsen.

Vielleicht ist es genau das, was Weihnachten im Kern ausmacht: Nähe. Miteinander. Und die Erkenntnis, dass Helfen nicht nur denen guttut, die Hilfe brauchen – sondern auch denen, die sie leisten.

(Hellweger Anzeiger, vom 25.12.2025)

„Viele kommen wirklich gerne“: Schüler der Gesamtschule Fröndenberg helfen der Tafel