Vor 40 Jahren rief die UNO das Jahr des Kindes aus. Vor 30 Jahren verabschiedete sie die Charta der Kinderrechte. Ab und an werden Kinder und Jugendliche auch in Fröndenberg an Entscheidungen beteiligt.
Was sind die Aufgaben der Verwaltung, wie laufen Beratungsfolgen und was bedeutet eigentlich Befangenheit? 19 Fröndenberger Schülerinnen und Schüler nahmen im Sommer 2019 im Stiftsgebäude Platz, wo normalerweise Politikerinnen und Politiker stundenlange Debatten aussitzen. Die fiktive Sitzung führe zwar keine direkten politischen Entscheidungen herbei, hatte aber durchaus Aktualitätsbezug, denn die Schülerinnen und Schüler bereiteten Themen vor, die den jungen Fröndenbergern akut auf den Nägeln brannten, erinnert sich Ole Strathoff von der Stadtverwaltung. Der Fußweg am Schwarzen Weg sollte besser ausgeleuchtet werden, immerhin werde Kindern abends verboten, dort herzugehen, weil es zu dunkel ist. Andere Jugendliche plädierten für eine bessere Vernetzung der Stadt im ÖPNV. Im Vorfeld hatten sich die Kinder in Fraktionen aufgeteilt, Bürgermeister und Bauamtsleiter waren anwesend, um die Sitzung zu leiten beziehungsweise Fragen zu klären. Das Planspiel war eine Kooperation von Stadt und Treffpunkt Windmühle, unterstützt durch die Friedrich-Ebert-Stiftung, erklärt Strathoff. Die Verwaltung sei jederzeit bereit, so etwas zu wiederholen, um Kindern und Jugendlichen, Lokalpolitik, sowie Demokratie ganz grundsätzlich näherzubringen.
Demokratie an der GSF
Auch an der Fröndenberger Gesamtschule ist die Mitbestimmung von Schülerinnen und Schülern klar geregelt. Aufschluss über die Aufgabenverteilung und Zusammensetzung der Schülervertretung bietet ein Organigramm auf der Homepage der Gesamtschule, deren Inhalte ebenfalls von Schülerinnen und Schülern zusammengestellt werden: Zur Wählerschaft an der GSF gehören alle Schülerinnen und Schüler der Schule. Sie wählen jeweils Klassen und Jahrgangssprecher. Alle Klassen- und Jahrgangssprecher bilden wiederum den Schülerrat. Der Schülerrat wählt die sogenannte Schülerselbstverwaltung (SV). Die SV besteht aus drei Schülersprechern, zwei weiteren SV-Mitgliedern und insgesamt fünf Vertreterinnen. Dazu kommen Ersatzmitglieder, die nachrücken, wenn mehrere feste Mitglieder abwesend sind.
Die SV ist grundsätzlich dafür zuständig, die Interessen der Schülerschaft zu vertreten, die Schülerschaft in der Öffentlichkeit zu repräsentieren sowie die schulische Atmosphäre mitzugestalten und zu verbessern. Konkret vertreten die SV-Mitglieder die Interessen der Schüler in unterschiedlichen Gremien und Konferenzen der Schule. Dort haben sie auch ein Mandat. Sie organisieren Aktionen und führen sie durch. Wenn wichtige Entscheidungen anstehen, können sie den Schülerrat einberufen.
Daneben gibt es an der Gesamtschule einen aus Schülerinnen und Schülern zusammengesetzten Mitarbeiterstab, die weder im Schülerrat noch in der SV sind, die Arbeit der SV aber unterstützen. Wenn wichtige Entwicklungsprozesse wie aktuell zur Phase Null anstehen, gibt es darüber hinaus aber auch Veranstaltungen, bei denen alle Schülerinnen und Schüler informiert sowie in die Entscheidungsprozesse mit einbezogen werden – wie zuletzt im vergangenen Jahr.
40 Jahre, nachdem die UNO-Generalversammlung 1979 das „Internationale Jahr des Kindes“ ausrief und 30 Jahre nach der UN-Kinderrechtskonvention von 1989, hat sich der gesellschaftliche Blick auf Kinder verändert. „Früher galten Kinder als kleine Menschen, die zu betreuen sind und für die Erwachsene die Entscheidungen zu treffen haben“, sagt Sebastian Schiller von der Fachstelle Kinder- und Jugendbeteiligung beim Deutschen Kinderhilfswerk in Berlin.
Das habe sich in weiten Teilen geändert. „Inzwischen setzt sich die Erkenntnis durch, dass Kinder und Jugendliche die besten Experten in eigener Sache sind“, sagt Schiller. So sei in Nordrhein-Westfalen über die Jahre eine breit gefächerte Beteiligungslandschaft entstanden, die Kindern und Jugendlichen auf verschiedenen Ebenen und in vielen Angelegenheiten eine Mitsprache einräumt.
Eher Flickenteppich
Sie reichen von Jugendparlamenten über Jugendräte bis hin zu Jugendforen. Eine Entwicklung, die Schiller ausdrücklich begrüßt. Das Problem sei, dass die Beteiligungsrechte von Kindern und Jugendlichen von Stadt zu Stadt verschieden seien und eher einem „Flickenteppich“ ähnelten. „Es gibt keine einheitlichen Standards“, bedauert Schiller. Noch immer schreibt die NRW-Gemeindeordnung den Kommunen dazu keine verbindlichen Regelungen vor. Dort gehören sie nach Ansicht des Kinderhilfswerks aber hin. „Es gibt lediglich Kann-Bestimmungen“, sagt Schiller.
So bleibe es letztlich jeder Kommune vorbehalten, selber zu entscheiden, ob und wie sie ihre jüngeren Einwohner mitreden lässt. Die Folge: Rund 120 von insgesamt knapp 400 NRW-Städten und Gemeinden räumen Kindern und Jugendlichen Mitsprache ein. „Der Rest leider noch nicht“, sagt Schiller.
Die Ausgestaltung von Mitsprache- und Beteiligungsrechten sei immer auch eine Frage von „personellen und finanziellen Ressourcen“, sagt Elisabeth Heeke von der „Servicestelle für Kinder- und Jugendbeteiligung NRW“ in Münster. Dennoch werde NRW bundesweit als beispielhaft betrachtet.
Ein Jugendparlament, bei dem Kinder in der Politik mitmischen, gibt es in Fröndenberg nicht. Wohl aber werden Kinder aus der Nachbarschaft in die Auswahl von Spielgeräten mit einbezogen. Zuständig sind Detlef Penzek von der Stadtverwaltung sowie das Kinder- und Jugendbüro. Steht die Auswahl eines neues Spielgeräts an, schlägt die Stadt den Kindern Varianten vor, aus denen sie entscheiden können.
Die Stadt Dortmund hat 1999 auf Geheiß des Rates das „Büro für Kinderinteressen“ eröffnet. Dessen Leiter Daniel Binder lädt Kinder und Jugendliche aus Schulen und Freizeitstätten zu Treffen und Rundgängen ein, um ihre Wünsche bei der Spielplatzplanung, bei der Freiraumgestaltung oder der Gestaltung von Jugendzentren zu sammeln. Sofern machbar, fließen die Wünsche in die Bauleitplanung ein. Oder schlagen sich, wie im Falle von Spielplätzen, in Verträgen zwischen Stadt und Investoren nieder. Als weiteres Element der Mitbestimmung gibt es in Dortmund – wie in vielen anderen Städten – „Jugendforen“, deren Teilnehmer den Jugendpolitikern oft bündelweise Wünsche in die Hände drücken: angefangen von größeren Räumen in Jugendfreizeitstätten über die Ausstattung mit Wlan bis hin zu Anti-Mobbing-Maßnahmen in Schulen. Nicht alles kann immer umgesetzt werden
Anders beispielsweise im kleinen Remscheid. Dort wird alle zwei Jahre ein 15-köpfiger Jugendrat gewählt, der mit allerlei Rechten ausgestattet ist. Fest verankert in der städtischen Hauptsatzung, steht das Gremium auf einer Stufe mit dem Seniorenbeirat, schickt eigene Anträge und Empfehlungen an die Ratsausschüsse und hat das Recht, den Oberbürgermeister mit Anfragen zu nerven.
„Es funktioniert“, sagt Gerd Dietrich-Wingender, Geschäftsführer des Remscheider Jugendrates.
Das Gremium funktioniere bereits „wie eine kleine Stadtverwaltung“, staunte Münsters Oberbürgermeister Markus Lewe nach der Jugendratswahl 2017.
(Hellweger Anzeiger, vom 12.01.2019)