Traumberufe für Fröndenberger Schüler Wie Hotels und Gastronomen mit Vorurteilen aufräumen
Es ist ein kleines, neues Projekt, das enorm viel Potenzial für die heimische Wirtschaft, vor allem aber für Jugendliche bietet: Im Rahmen der Projektwoche, die vom 7. bis 11. Oktober an der Gesamtschule Fröndenberg stattfindet, wird sich erstmals ein Kurs damit beschäftigen, ganz praktisch in die Bereiche Gastronomie und Hotellerie hineinzuschnuppern.
„Der Fachkräftemangel ist immer wieder Thema, auch in diesen Branchen“, sagt Bürgermeisterin Sabina Müller. Gleichzeitig sind viele Jugendliche noch auf der Suche nach ihrer beruflichen Zukunft. So führte die enge Vernetzung in Fröndenberg dazu, dass sich Gözen Becker, Lehrerin an der Gesamtschule Fröndenberg, mit vielen möglichen Kooperationspartnern in Verbindung setzte.
So sind die „Kochlounge im Hof“, das Restaurant „Il Campo“, das Hotel und Restaurant Ruhrbrücke, das Neue Hotel am Park und die Bäckerei Niehaves bereit, den Schülern einen Einblick in die berufliche Realität von heute zu geben. „Viele Menschen haben zu einzelnen Berufen ein Bild im Kopf, das gar nicht mehr passt“, sagt Hermann Niehaves.
Das erlebe er in seinem Unternehmen immer wieder. „Beim Bäcker haben die meisten Leute sofort Arbeit in der Nacht und schwere körperliche Belastung vor Augen“, so Niehaves. Dabei arbeiteten über 90 Prozent seiner rund 350 Mitarbeiter am Tage und bei der Arbeit sei enorm Vieles inzwischen automatisiert. Ein großer Teil des Umsatzes werde inzwischen auch im Gastrobereich erwirtschaftet, da müsse man mit Menschen umgehen können.
Auf ein Lächeln kommt direkt etwas zurück“, so der Unternehmer. Junge Leute sollten ihr Ziel kennen und wissen, ob sie sich in einem Betrieb wohl fühlen. Dann sei einem gelungenen Start ins Berufsleben nichts mehr im Wege. Die anderen Projektteilnehmer können Ähnliches berichten: Barbara Boeckler, Geschäftsführerin im Neues Hotel am Park, etwa. „Die Arbeit im Hotel ist so vielseitig, dass viele nur einzelne Bereiche vor Augen haben“, so Boeckler.
Neben dem Housekeeping, dem Frühstücksservice oder der Rezeption gebe es auch die ganzen kaufmännisch-planerischen Tätigkeiten, die im Hintergrund stattfänden, spannend und vielseitig. Natürlich solle man grundsätzlich eine Berufung zum Gastgeber in sich haben. Viele Sorgen relativierten sich auch einfach beim Tun.
„Der Arbeitsbeginn um 7 Uhr mag ungewohnt sein“, erklärt Boeckler. Doch wenn man den Tag zeitlich wie einen Schultag durchlebe und dann merke, dass schon die Mitarbeiter der nächsten Schicht kommen, erkenne man die Normalität. Auch die Gastronomie kennt Vorbehalte: „Wenn es ums Kochen geht, haben viele nur späte Arbeitszeiten und Stress vor Augen“, sagt Andrea Barczewski von der Koch-Lounge im Hof.
Wie erfüllend es sein könne Gäste zu bewirten und direkt eine Rückmeldung auf seine Arbeit zu erfahren, erlebten hingegen nur wenige. „Bei unseren Koch-Events sind große und kleine Teilnehmer“, so Barczewski. Beim Anblick eines schön angerichteten Tellers mit köstlichem Essen seien viele verblüfft, das selbst geschaffen zu haben.
Kochen und Backen berührt
Genauso erfährt es auch Gözen Becker, die neben Biologie auch Hauswirtschaft unterrichtet. „Alles ist heute so durchdigitalisiert, dass die Schüler das Erlebnis selbst zu kochen oder backen ganz anders berührt als andere Fächer“, so die Lehrerin. Diese Erfahrung sorge für Eifer und eine ganz besondere Atmosphäre: „Diese Tätigkeiten vermitteln Selbstwirksamkeit ohne Worte“, so Becker.
Sonst unkonzentrierte Schüler seien ganz in die Arbeit versunken und stille Kinder sprächen ganz offen mit ihr. Darum freue sie sich auf dieses neue Projekt: „Bei einem Praktikum werden in einem Unternehmen für einen begrenzten Zeitraum Einblicke in die betrieblichen Abläufe gegeben“, so Becker.
In dieser Projektwoche werden hingegen mehrere ‚Gastgeber‘ besucht, die es bewusst ermöglichen, intensiv in die jeweilige Arbeitswelt einzutauchen. Schon die Auseinandersetzung der Unternehmer gebe den Schülern auch ein Zeichen der Wertschätzung, so Becker. Die Schüler der Klassen 8. und 9. haben sich aus eigenem Antrieb für dieses Projekt entschieden, so die Lehrerin weiter.
Dafür erwartet sie auch eine abwechslungsreiche Woche: „Wir wollen die jungen Menschen ganz praktisch in die Hotelwirtschaft einführen“, so Boeckler. Von der Vorbereitung des Frühstücksservice, inklusive dem Bereich Küche, der Reinigung der Zimmer, bis zur Leitung der Rezeption sei alles dabei. Barczewski vermittelt, wie ein Kochevent organisiert wird: Vom Schreiben von Rezepten bis zum offenen Zugang und dem Respekt vor seinem Gegenüber.
Bei der Bäckerei Niehaves geht es ebenfalls um Theorie und Praxis: So wird den Schülern vermittelt, dass tagsüber viel mehr produziert wird als nachts und auch die neue Ausbildung in Lebensmitteltechnik wird vorgestellt. Zum Abschluss der Woche werden die Jugendlichen ihren Eltern und anderen interessierten Besuchern praktisch vorstellen, was sie gelernt haben. „Dafür hoffe ich auch auf einige Rezepte aus den Unternehmen“, sagt die Lehrerin lächelnd.
(Hellweger Anzeiger, vom 27.09.2024)