In den vergangenen Wochen wurde in der Politik und in den Medien heiß diskutiert, wie dieses Jahr mit Schulabschlüssen, allen voran dem Abitur, sinnvoll umzugehen ist. Sollten alle Schüler wiederholen, sollten die Prüfungen ausfallen – oder sollte trotz widriger Umstände alles beim Alten bleiben? Am Donnerstag hat Schulministerin Yvonne Gebauer, bekanntgegeben, dass das Land an Regelabschlüssen weiter festhalte. Diejenigen, über die da gesprochen und entscheiden wird, haben uns nun ihre Sicht der Dinge geschildert.
Unsere Gesprächspartner sind:
- Janna Prünte, Q2, stellvertretende Schülersprecherin und Jahrgangsstufenvertreterin der Q2. 18 Jahre, aus Fröndenberg. Voraussichtlicher Abiturjahrgang 2021.
- Mara Allhoff, 10.5, Schülervertreterin und Klassensprecherin. 16 Jahre, aus Echthausen. Voraussichtlicher Zehnerabschluss 2021, angestrebter Abschluss: Fachoberschulreife mit Qualifikationsvermerk (FORQ) und dann Abitur.
- Fredrik Jonas Becker, Q1, Schülervertreter und Jahrgangsstufenvertreter der Q1. 18 Jahre, aus Frömern. Voraussichtlicher Abiturjahrgang 2022.
- Fatih Asıl, Q2, Schülersprecher und Jahrgangsstufensprecher der Q2. 19 Jahre, aus Fröndenberg. Voraussichtlicher Abiturjahrgang 2021.
Denkbar waren ja mehrere Varianten. Zunächst einmal ganz allgemein: Wie sollten die Schulen mit dem bevorstehenden Abitur aus Schülersicht umgehen?
Janna: „Meiner Meinung nach sollte das Abitur an die gesamte Corona-Situation angepasst werden. Ich fände eine Wahlmöglichkeit für die Abiturprüfungen angebracht: Diejenigen, die gerne ihre Note verbessern wollen, sollten die Prüfungen auch ablegen dürfen. Wer sich nicht gut vorbereitet fühlt, sollte aber auf Wunsch ein Durchschnittsnoten-Abitur erhalten.“
Fredrik: „Die Schulen sollten Rücksicht auf die erschwerte Lernsituation der Schülerinnen und Schüler nehmen. Es wäre einfach nicht gerecht, ein Abitur in diesen Zeiten gleich wie eines in ‚normalen‘ Zeiten zu bewerten.“
Fatih: „Am schlimmsten ist für die Schüler die herrschende Ungewissheit, wie lange die aktuelle Situation noch dauern wird und wie man den anwachsenden Rückstand der letzten Monate jemals rechtzeitig aufholen kann. Ein Durchschnittsnoten-Abitur würde nur denjenigen helfen, die bisher auch gute mündliche Leistungen erbringen konnten.
Wer aber seine Abiturnote durch die Prüfungen verbessern möchte, sollte auch eine faire Chance dazu haben – das geht nur durch mehr Vorbereitungszeit und weitere Entlastungen, wie beispielsweise die Abkehr vom Zentralabitur wie vor 2007, ohne das Niveau des Abiturs zu berühren. Hierzu muss sich die Schulministerin bald verbindlich äußern!“
Haben Sie Angst, dass Ihr „Corona-Abitur“ später mal weniger wert sein könnte?
Janna: „2020 und 2021 waren sowieso die ‚Corona-Jahre‘ – wir werden ohnehin ein ‚Corona-Abitur‘ haben, egal, wie die Prüfungen jetzt ausfallen werden. Jeder hat die Corona-Situation mitbekommen und deswegen glaube ich auch nicht, dass wir durch ein ‚Corona-Abitur‘ später einmal Nachteile hätten.“
Fredrik: „Nein, ein Abitur ist im Grunde nur eine Abfrage von Wissen und solange das zu Wissende weiterhin denselben Stellenwert hat, wird auch das Abitur immer denselben Stellwert haben – ungeachtet der Umstände, unter welchen dieses Abitur erreicht worden ist.“
Würden Sie sich benachteiligt fühlen, wenn in anderen Bundesländern andere Regeln gelten?
Fredrik: „Ja, in so einer Zeit sind allgemeingültige Regelungen und Gesetze wichtiger denn je. Nun in verschiedenen Bundesländern mit zweierlei Maß bei der Bewertung zu rechnen, wäre einfach grob unfair.“
Wäre es eine Option, das Schuljahr 2020/2021 grundsätzlich wiederholen zu lassen?
Janna: „Man sollte das Jahr auf keinen Fall einfach wiederholen. Wir wurden sehr gut auf das Abitur vorbereitet.“
Mara: „Ich habe mich mit vielen Schülern unterhalten. Gerade die Schüler aus dem zehnten Jahrgang, mich eingeschlossen, sind der Meinung, dass das keine gute Lösung wäre. Es gibt auch ein paar Schüler, die das Wiederholen von einem Schuljahr in Betracht ziehen. Das sollte meiner Meinung nach aber freiwillig sein. Viele Schüler haben sich bewusst gemacht, dass das zehnte Schuljahr sehr wichtig für sie ist und konnten ihr Notenbild halten, indem sie den Distanzunterricht ernst genommen und sich angestrengt haben, als wäre es Präsensunterricht. Außerdem kenne ich einige Schüler, die nach der Zehnten schon einen festen Ausbildungsplatz haben. Ich persönlich bin mit dem Distanzunterricht immer gut klargekommen und konnte mein Notenbild halten. Ich möchte das Jahr nicht wiederholen und den Meisten geht das genauso.“
Klausuren und Abschlussprüfungen sind das eine, aber auch mündliche Noten zählen auf dem Zeugnis oder Abschlusszeugnis für das Endergebnis: Können Lehrer überhaupt noch fair benoten, wenn kein Präsenzunterricht stattfindet?
Mara: „Ich finde es kommt darauf an, wie Lehrer den Unterricht auf Distanz gestalten. Viele Lehrer machen Videokonferenzen, in denen beispielsweise auf einer digitalen Tafel Themen erklärt und gemeinsam Aufgaben bearbeitet werden können. Schüler können sich ganz normal melden und werden dann drangenommen.
In anderen Fächern müssen wir Präsentationen erarbeiten und vortragen oder besprechen unsere Aufgaben. Da gibt es also viele Möglichkeiten, an der sonstigen Mitarbeit teilzuhaben. Natürlich gibt es aber auch Lehrpersonal, das diese Möglichkeiten nicht in Anspruch nimmt. Dann finde ich es schwer, eine faire mündliche Note geben zu können.
Zudem können manche Schüler aufgrund von Internetproblemen ihr Mikrofon nicht richtig nutzen. Das Internet spielt in dieser Zeit eine große Rolle: Wenn es ausfällt und deshalb bei Schülern Probleme gibt, am Unterricht teilzunehmen, ist es auch schwer, eine faire Note zu geben.“
Fatih: „Der Vorteil im Präsenzunterricht ist, dass alle Schüler gleichermaßen den direkten Zugang zum Lehrer und zu den von ihm ausgeteilten Unterrichtsmaterialien haben. Im Distanzlernen hängt selbst das von der persönlichen Ausstattung ab: Können Aufgaben ausgedruckt werden? Wie schnell ist die häusliche Internetleitung? Wenn man diese individuellen Umstände nicht berücksichtigt, kann eine Notengebung auch nicht gerecht sein.
Leider gibt es auch einige Lehrkräfte, die man während der eigentlich vorgesehenen Stunden nicht, wie eigentlich vorgesehen, bei Fragen erreichen kann oder die, besonders in den unteren Jahrgängen, zu wenig oder zu viele Aufgaben für eine Unterrichtsstunde zur Verfügung stellen. Dadurch wird es noch schwieriger, im Distanzlernen mitzukommen. Das soll aber nicht die große Leistung des Großteils der Lehrerschaft in Abrede stellen, der täglich bemüht ist, dem Anspruch unserer Schule, jedes Kind zu fördern, gerecht zu werden.“
(Hellweger Anzeiger, vom 21.01.21)